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Achtung - AU nach Kündigung birgt Gefahren

Nektarios Dovas • Sept. 09, 2021

BAG hebt Beweiswert einer AU auf!


Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 08.09.2021, Az. 5 AZR 149/21 seine Rechtsprechung zur Beweiskraft von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (sog. AU-Bescheinigungen) zu Lasten der Arbeitnehmer geändert.


Wird ein Arbeitnehmer am Tag der Kündigung  seines Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies laut BAG den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern. Wird die AU-Bescheinigung genau für die Dauer der Kündigungsfrist ausgestellt, so ist der Beweiswert erheblich erschüttert.


Der Arbeitnehmer kann daher darlegungs- und beweisbelastet bzgl. seiner Erkrankung sein. Für das Führen des Beweises müsste dann ggf. der behandelnde Arzt von der Schweigepflicht entbunden werden.


Bisher war die Hürde für Arbeitgeber, den Beweiswert einer AU zu erschüttern und damit die festgestellte Arbeitsunfähigkeit aus der Bescheinigung anzuzweifeln, sehr hoch. Ein Vorgehen gegen die AU war wenig erfolgversprechend und führte nur in Ausnahmefällen zum Erfolgt.



Dem entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Arbeitnehmerin, eine kaufmännische Angestellte und Zeitarbeitnehmerin, hatte das Arbeitsverhältnis am 08.02.2019 gekündigt und einem Arbeitskollegen gegenüber geäußert, sie würde nicht mehr im Einsatzbetrieb weiterarbeiten. Eine Arbeitsunfähigkeit erwähnte sie nicht. Sie legte der Arbeitgeberin eine AU vor, die auf den 08.02.2019 datierte und exakt den Zeitraum der Restlaufzeit ihres Arbeitsvertrages bis zum 22.02.2019 umfasste. Daraufhin verweigerte die Arbeitgeberin die Entgeltfortzahlung mit der Begründung, dass sie die Beweiskraft der AU anzweifele.


Zu Begründung führte die Arbeitgeberin aus, die Arbeitnehmerin habe ihre fehlende Leistungsbereitschaft gegenüber dem Kollegen gezeigt. Zudem habe es sich um die Diagnose „Sonstige und nicht näher bezeichnete Bauchschmerzen“ gehandelt, sodass eine medizinische Prognose nicht gestellt werden könne.


Die Entscheidung des BAG

Das BAG urteilte, dass der Arbeitnehmerin keine Entgeltfortzahlung zusteht, weil der Beweiswert der AU erschüttert wurde. Die Klage war daher abzuweisen.


Die „Koinzidenz zwischen der Kündigung vom 08.02.2019 zum 22.02.2019 und der am 08.02.2019 bis zum 22.02.2019 bescheinigten Arbeitsunfähigkeit“ führt dazu, dass der Beweiswert der AU erschüttert ist. Nach dem BAG hätte die Arbeitnehmerin darlegen und beweisen müssen, dass tatsächlich eine Arbeitsunfähigkeit bestand. Da sie die Zweifel nicht entkräftet hat, war die Klage abzuweisen.


Die Entscheidung des BAG führt in juristischer Hinsicht zu einem abstrakten Rechtssatz, der von allen Instanzgerichten anzuwenden sein wird.


Handlungsempfehlung für Arbeitgeber

Die Entgeltfortzahlung sollte verweigert werden, wenn


  • der Arbeitnehmer sich am Tage der Kündigung oder am Folgetag eine AU ausstellen lässt, die den gleichen Zeitraum wie den Lauf der Kündigungsfrist umfasst; oder


  • der Arbeitnehmer sich am Tage der Kündigung oder am Folgetag eine AU ausstellen lässt und weitere Umstände hinzutreten, aus denen hervorgeht, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsstelle nicht mehr antreten möchte. Sämtliche Umstände sollten allerdings auf die Möglichkeit der Beweisführung überprüft werden.


Ob auch bei einer nicht vollständigen Deckung des Zeitraumes zwischen einer Kündigung und einer AU ebenso der Beweiswert erschüttert ist, bleibt abzuwarten.



Handlungsempfehlung für Arbeitnehmer

Zu bedenken bleibt, dass bei einer Entbindung der Schweigepflicht der die AU ausstellende Arzt als Zeuge vernommen werde kann. Aus berufsethischen Gründen und den möglichen Konsequenzen (darunter auch strafrechtliche) für den Arzt ist nicht davon auszugehen, dass der Arzt eine fehlende Arbeitsunfähigkeit trotz Ausstellung der AU bestätigt. 


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